Autogenes Training (AT)

Methode der konzentrativen Selbstentspannung

Was ist AT?

AT lässt sich als „im Selbst entstehende Entspannung“ definieren. Der oder die Übende lernt mit „passiver Konzentration“ autosuggestiv (selbstbeeinflussend) auf die Muskeln, den Kreislauf und das vegetative Nervensystem entspannenden Einfluss zu nehmen. Dies geschieht mittels gelenkter Wahrnehmung und autosuggestiver Beeinflussung einzelner Körperregionen, womit sich Zustandsveränderungen in den Organfunktionen und Entspannungsprozesse bewirken lassen. Hierbei handelt es sich um keine bloße Einbildung, vielmehr lassen sich die Vorgänge mit Zustandsveränderungen im Organismus erklären und ggf. messen. Es ist wissenschaftlich nachgewiesen, dass die autogen hervorgerufene Entspannung insgesamt zum Abbau von Überspannungen und zum Aufbau eines Gleichgewichts zwischen Spannung und Entspannung führt.

Anwendungsgebiete & Wirkungsweise

Das AT kann helfen, einen Teufelskreis zu unterbrechen: Er beginnt mit innerer Unruhe und Verspannungen und führt oft weiter z.B. zu Schlafstörungen, Konzentrationsmängeln, Unsicherheit, Leistungsminderung, Durchblutungsstörungen, Organbeschwerden und/oder körperlichen sowie seelischen Krankheiten. Solche Störungen und Krankheiten lassen sich mit willentlicher Selbstbeeinflussung angehen und lindern oder sogar beseitigen. AT ist also präventiv-prophylaktisch ebenso wirksam, wie ggf. therapeutisch.

AT hat ein allgemeines und ein spezielles Ziel:

  • Es wird eine umfassende Entspannungsreaktion sowie eine dauerhaft bessere Regulation der Körpersysteme gefördert. Dies geht mit einer durchgreifenden Änderung des Erregungsniveaus einher.
  • Die eingeübte Entspannungsfertigkeit lässt sich nutzen, um sich in jeder belastenden Situation sofort durch Einsatz des Erlernten helfen zu können.

     

Die Übungen des AT lassen sich daher in den folgenden Bereichen hilfreich einsetzen:

  • Vorbeugung, um entspannter schwierige Situationen bewältigen zu können
  • Spannungsreduktion in einer Belastungssituation und
  • Entspannung nach einer Anspannungssituation.

Darüber hinaus verbinden wir im AT die geistige, gefühlsmäßige und körperliche Ebene mit autosuggestiver Beeinflussung; so können wir uns gleichzeitig unserer Ganzheit bewusster werden und ganzheitlicher leben lernen.

Wie läuft ein typischer AT-Kurs/ Unterricht ab?

AT wird meist in Gruppen, manchmal auch in Einzelsitzungen unterrichtet. In 6 bis 10 Treffen werden die AT-Grundübungen schrittweise erklärt, eingeübt und besprochen. Es handelt sich um Übungen zur Entspannung der Muskeln, zur verbesserten Durchblutung, zur Entspannung der Herz- und Atemfunktionen, zur Entspannung der Bauchorgane, zur Beeinflussung im Stirnbereich sowie um die Realisierung von (innerer) Ruhe und um eine abschließende Aktivierung, wenn nach einer tiefer gegangenen Entspannung ein für den Alltag optimaler Entspannungsgrad hergestellt werden soll. Mit entsprechenden Trainingsschritten lernen die Übenden, mit ihrer Konzentration den eigenen Organismus entspannend zu beeinflussen. Um z.B. Wärmeempfindungen bzw. Gefäßerweiterungen zu erreichen, nutzen sie die Suggestivkräfte, indem sie sich mit ihren Selbstbeeinflussungskräften in bestimmte Körperbereiche hinein denken, hinein spüren und Veränderungsimpulse mittels des Nervensystems zu den Organen senden. Dazu verwenden sie autosuggestive Leitformeln wie z.B. „Arme und Beine sind angenehm warm“. Nach den jeweiligen Entspannungsübungen sollen die Wahrnehmungen und Erlebnisse während des Übens besprochen und Schlüsse daraus gezogen werden. Auch Belastungen, die zu Überspannungen beitragen, und evtl. Maßnahmen zur Abhilfe sollen thematisiert werden. Beides ist zur ganzheitlichen Absicherung wichtig und kann nur unter fachlicher Leitung in kleinen Gruppen mit etwa 6 bis höchstens 12 Personen geschehen.

Die höheren Stufen des AT gehen über die vorrangig Organ bezogenen Übungen und über die grundlegende Entspannung der Grundstufe hinaus. Im Fortgeschrittenenkurs werden erweiterte Beeinflussungsmöglichkeiten wie Vorsätze für den Alltag erarbeitet, die sich dann gezielt einsetzen lassen. Im Oberstufenkurs geht es um autogene Meditation; die Trainierenden vertiefen die Innenschau oder gehen z.B. Sinnfragen des Lebens nach. Die Beherrschung der grundlegenden Entspannungsübungen aus dem Grundkurs ist Voraussetzung zum erlernen weiterer Stufen.

Häufige Fragen zum AT und ihre Antworten:

Ist es schwierig, AT zu erlernen? Neugierige Offenheit ebnet den Zugang. AT nutzt natürliche körperliche und seelische Vorgänge, die jeder bewusst verwenden kann, um Entspannungsprozesse im autogenen Training zu fördern. Dazu bedarf es keiner besonderen Fähigkeiten. Es ist allerdings nötig, die Übungen auch zu Hause einigermaßen regelmäßig zu trainieren.

Wer sollte AT unterrichten? Die KursleiterInnen sollen von ihrer Grundausbildung her PsychologInnen oder ÄrztInnen sein, die sich mit Gruppenprozessen, psychischen Effekten, Diagnostik, psychischen und psychosomatischen Krankheiten etc. angemessen auskennen. Sie können aufgrund ihrer Ausbildung bei evtl. auftretenden Übungsschwierigkeiten Störungen fachgerecht ausräumen und den Entspannungsweg offen halten. Dies ist z.B. bei den anerkannten KursleiterInnen der DG-E e.V., der Psychologischen Fachgruppe Entspannungsverfahren oder der einschlägigen ärztlichen Gesellschaften gewährleistet.

Wo finde ich Kurse für AT?

Kurse für AT bieten fast alle Bildungseinrichtungen und Volkshochschulen an, aber auch Krankenkassen sowie private Träger . Erkundigen Sie sich bei der jeweiligen Einrichtung nach dem Ausbildungshintergrund der Lehrenden.

Zur Geschichte des AT

Das Verfahren wurde von Prof. J. H. Schultz (1884-1970) entwickelt. Die erste Ausgabe seines Standardwerkes „Das Autogene Training - Konzentrative Selbstentspannung. Versuch einer klinisch-praktischen Darstellung“ erschien 1932. Wichtige Erkenntnisse für die Entwicklung des AT sammelte Schultz bei der Beobachtung und Befragung von Studenten, die er in Hypnose versetzt hatte. Sie berichteten von intensiven Entspannungsempfindungen. Die beschreibenden Begriffe, die am häufigsten genannt wurden, waren „Ruhe“, „Wärme“ und „Schwere“. Schultz stellte nun die Überlegung an: Wenn in tiefen Entspannungszuständen diese Empfindungen auftreten, müsste Entspannung auch dadurch zu erreichen sein, dass Ruhe, Wärme und Schwere autosuggestiv eingeübt werden. Mit einem entsprechenden Training müsste es also möglich sein, eigenständig und selbstgesteuert Entspannung hervorrufen zu können. Seine Überlegung war richtig, wie sich an den positiven Ergebnissen zeigte. Schultz wies damit auch den Weg von der Fremdbeeinflussung (Fremdsuggestion in der Hypnose) zur systematischen, autosuggestiven Selbstbeeinflussung. So wurde aus der Behandlung der PatientInnen die selbstbestimmte Handlung mittels AT - aus der Passivität wurde gesundheitsbezogene Aktivität und Übernahme von Selbstverantwortung. Allerdings gehört zur Geschichte des ATs auch, dass Schultz seine frühen Erfahrungen mit der Anwendung an traumatisierten Soldaten des ersten Weltkrieges sammelte. Seit damals hat das AT weite, internationale Verbreitung gefunden und ist heute eines der bekanntesten Entspannungsverfahren. Das mag daran liegen, dass AT u.a. aufgrund seiner intensiven wissenschaftlichen Erforschung und Evaluierung im ärztlichen und psychologischen Bereich breite Anerkennung und Anwendung gefunden hat. Es liegt aber wohl ebenso an den vielen positiven Erfahrungsberichten autogen Trainierter, die immer mehr Menschen ermutigen, selbst AT zu erlernen.

Literatur für AnwenderInnen:

  • Brenner, H. (2004): Autogenes Training. Der Weg zur inneren Ruhe. Lengerich, Berlin: Pabst Verlag
  • Brenner, H. (2010): Autogenes Training Oberstufe / Autogene Meditation. Wege in die Meditation. Lengerich, Berlin: Pabst Verlag
  • Buntrock, M. (2008): Relax. Musik zur Entspannungsförderung. Dorsten: MB-Music
  • Derra, C. (1998): Autogenes Training für zwischendurch. Stuttgart: Trias
  • Wilk, D. (2007): So einfach ist Autogenes Training. Stuttgart: Trias

Literatur für VermittlerInnen, TrainerInnen und DozentInnen/AusbilderInnen:

  • Hoffmann, B. (2004): Handbuch Autogenes Training. Grundlagen, Technik, Anwendung. München: DTV
  • Krampen, G. (1998): Einführungskurs zum Autogenen Training: Ein Lehr- und Übungsbuch für die psychosoziale Praxis, Paderborn: Verlag für angewandte Psychologie
  • Kraft, H. (2004): Autogenes Training. Handbuch für die Praxis. Köln: DÄV

Literatur zur wiss. nachgewiesenen Wirksamkeit:

  • Brenner, H. (2004): Progressives Entspannungstraining. Lengerich, Berlin: Pabst Verlag
  • Hoffmann, B. (2004): Handbuch Autogenes Training. Grundlagen, Technik, Anwendung. München: DTV, 373ff
  • Krampen, G. (1999): Diagnostisches und evaluatives Instrument zum Autogenen Training (AT-EVA). Göttingen: Hogrefe
  • Vaitl, D. (2009): Autogenes Training. In: Petermann, F.; Vaitl, D. (Hrsg. 2009): Entspannungsverfahren. Das Praxishandbuch. Weinheim, Basel: Beltz (PUV)